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Grenzen von Beleidigung und übler Nachrede

Ich habe hier zwei aktuelle Urteile ausfindig gemacht, über die sich recht gut die Grenzziehung zwischen erlaubter Meinungsäußerung und strafbarer Beleidigung gem. § 185 des Strafgesetzbuchs (StGB) bzw. übler Nachrede gem. § 186 StGB erkennen lässt.

 

Ein klarer Fall lag für das Bayrische Oberlandesgericht bei seinem Beschluss vom 06.11.2023  (Aktenzeichen 202 StRR 80/23) vor. Einer der Leitsätze des Beschlusses lautet:

 

„Die Bezeichnung einer Frau als „Schlampe“ stellt regelmäßig eine Formalbeleidigung dar, bei der die Meinungsäußerungsfreiheit des Angeklagten hinter den Ehrenschutz der Verletzten zurücktritt, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf.“

 

Wesentlich differenzierter musste kürzlich das Landgericht Ellwangen in seinem Urteil vom 24.01.2024 (Aktenzeichen 1 O 73/22) verschiedene Äußerungen dahingehend prüfen, in wieweit sie erlaubte Meinungsäußerungen oder strafbare Persönlichkeitsrechtsverletzungen darstellten.

 

Hier die wesentlichen Leitsätze:

 

„Wer in Notwehr gegen eine Angreiferin gehandelt hat, darf nicht sachbezugslos als "Frauenschläger" und "Frauentreter" bezeichnet werden.“

 

„Wer unter Berufung auf seinen Stand und seine Expertise als Rechtsanwalt kritiklos an einer Gesprächsrunde mit Verschwörungstheoretikern teilnimmt, um verschwörungstheoretische Inhalte zu diskutieren, muss sich anlassbezogen entgegenhalten lassen, ein "Verschwörungsrechtsverdreher" zu sein.“

 

„Wer ohne jegliche Anhaltspunkte behauptet, dass die gewalttätigen Ausschreitungen in Brüssel am 23.01.2022 von staatlichen Akteuren herbeigeführt worden seien, muss sich anlassbezogen entgegenhalten lassen, ein "Verschwörungsidiot" zu sein.“

 

„Wer gemeinsam mit Mitgliedern der sog. Reichbürgerbewegung demonstriert, muss sich entgegenhalten lassen, deren Ideologie zu teilen.“

 

„Wer über einen längeren Zeitraum staatliche Institutionen in Frage stellt und zugleich mit Rechtsextremisten aus ganz Europa Veranstaltungen plant und durchführt, dem darf das "Pushen von Rechtsextremismus" und "Hetze gegen unsere Demokratie" vorgeworfen werden.“

 

„Wer von einer beabsichtigten weltweiten Verbreitung des Coronavirus ausgeht und einen Großteil der privaten und staatlichen Coronavirus-Schutzmaßnahmen rigoros ablehnt, darf verkürzt als "Corona-Leugner" bezeichnet werden.“

 

„Wer regelmäßig antisemitische Codes, Metaphern und Narrative verbreitet, mit der Verbreitung von Falschinformationen und Verschwörungsmythen Teile der Bevölkerung radikalisiert, mit einem Rechtsextremisten in freundschaftlicher Atmosphäre posiert und sich von diesem interviewen lässt, muss sich entgegenhalten lassen, ein "Hassprediger" zu sein.“

 

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